Die Metabolische Lebererkrankung NAFLD – ein wachsendes Gesundheitsproblem
Ein „wachsendes öffentliches Gesundheitsproblem“ nennen die Weltorganisation für Gastroenterologie WGO und andere medizinische Fachverbände die metabolische Lebererkrankung NAFLD (nicht-alkoholische Fettlebererkrankung, Abk. v. Engl. nonalcoholic fatty liver disease). Schon heute hat weltweit einer von vier Menschen eine nicht-alkoholische Fettleber. In den USA und Europa sind es um 40%, schätzt die European Association for the Study of the Liver (EASL). Für Deutschland geht die Organisation von 12 Millionen Betroffenen aus.
Die Zahl der Betroffenen steigt weiter
Diese Häufigkeit hat über die letzten Jahrzehnte hinweg stetig zugenommen und wird weiter steigen. NAFLD entsteht fast immer als Folge von Übergewicht, Diabetes mellitus Typ-2 und anderen Stoffwechselstörungen. Der Lebensstil, der zu diesen Risikofaktoren führt, breitet sich nach wie vor aus. Um stärker zu betonen, dass der Stoffwechsel wichtigster Auslöser von NAFLD ist, bevorzugen viele Fachleute die Bezeichnung Metabolische Lebererkrankung. Derzeit ist aber die Abkürzung NAFLD noch am geläufigsten für die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung.
NAFLD kann schwere Komplikationen auslösen
Ein bedeutender Anteil der Betroffenen bildet eine Form der Fettleber (NASH, s. unten) aus, die schwere Komplikationen nach sich ziehen kann und das Sterberisiko erhöht. Effiziente Therapien zur richtigen Zeit könnten viele Komplikationen und Todesfälle verhindern. Doch häufig verstreicht der optimale Zeitpunkt ungenutzt. Einfache Tests können im Frühstadium nicht unterscheiden, ob eine milde NAFLD vorliegt oder sich die ernstere NASH (Link1) ausgebildet hat. Später erfordern Therapien aber mehr Aufwand und erzielen teils geringere Erfolge. Deshalb arbeitet das systemmedizinische LiSyM-Netzwerk besonders daran, neue Therapien und Tests für die Diagnose und Verlaufskontrolle zu entwickeln.
NAFLD: Mindestens 5% der Hepatozyten sind stark verfettet
Bei NAFLD akkumuliert sehr viel Fett in der Leber. Laut den europäischen Vereinigungen für Studien an der Leber (EASL), zu Diabetes (EASD) und über Fettleibigkeit (EASO) liegt NAFLD vor, wenn
● mehr als 5 Prozent der Hepatozyten in histologischen Zelluntersuchungen stark verfettet sind. (In bildgebenden Verfahren wie etwa einer Protonen Magnetresonanzspektroskopie/1H-MRS liegt der Grenzwert mit 5,6% etwas höher.)
● zudem ausgeschlossen wurde, dass Alkohol, andere Drogen oder Hepatitis und andere Erkrankungen als Ursache in Betracht kommen.
NAFL und NASH - zwei Erscheinungsformen
Die Bezeichnung nicht-alkoholische Fettlebererkrankung oder NAFLD ist ein Überbegriff. Er umfasst zwei Formen der Fettleber, die sich pathologisch und in ihrer Prognose unterscheiden – NAFL und NASH.
NAFL (nonalcoholic fatty liver): Hier steht die reine Steatose im Mittelpunkt, also eine Fettleber ohne weitere Symptome. Sie verschlechtert sich nicht oder nur milde. Komplikationen sind selten. „NAFL ist keine Erkrankung im engeren Sinn“, sagt Professor Dr. med. Peter Jansen, der Direktor des LiSyM-Foschungsnetzwerks: „Viele Menschen mit Fettleber bekommen deshalb zeitlebens keine gesundheitlichen Probleme.“
NASH (nonalcoholic steatohepatitis): Hier laufen entzündliche Prozesse in der Leber ab. Hepatozyten verändern sich morphologisch (Ballooning, unten) und können sich in Bindegewebszellen umwandeln (Fibrose). Der Prozess kann bis zur Zirrhose fortschreiten, bei der die Leberfunktion stark beeinträchtigt ist oder ganz ausfällt. Ein kleiner Prozentsatz der Patienten entwickelt Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom, HCC). Die leberbedingte Sterberate der Patienten steigt mit zunehmender Fibrose exponentiell. Auch ihre Gesamtmortalität ist erhöht.
NAFL oder NASH – die entscheide Frage
Die Schäden bei fortgeschrittener Leberzirrhose sind nicht mehr rückgängig zu machen. Entsprechend müssen Therapien vorher einsetzen. Den optimalen Zeitpunkt diagnostisch sicher zu ermitteln, ist mit Schwierigkeiten verbunden:
● Frühe NASH bleibt in der Regel unerkannt: Anfangs kann eine erkrankte Leber viele Schäden funktionell ausgleichen. Die Betroffenen haben keine Beschwerden und keine Veranlassung, sich an Ärzte zu wenden.
● Die existierenden nicht-invasiven Tests haben nur geringe Aussagekraft über die Form.
● Als einzig sicherer Nachweis für NASH gilt eine Entnahme von Gewebeproben (Biopsie). Im Vergleich zu nicht-invasiven Tests verursachen die kleinen Eingriffe mehr Aufwand und Kosten, und sie belasten Patienten stärker. Biopsien bergen Risiken, wenn auch nur geringe.
● Mit der Elastografie, einem nicht-invasiven, Ultraschall-basierten Verfahren, lässt sich Fibrose zwar feststellen. Um das Stadium und den Verlauf richtig einordnen zu können, müssen aber viele Messungen stattfinden.
Neue Tests und Therapien sind dringend notwendig
Gegen fortgeschrittene Zirrhose gibt es aktuell keine effiziente Behandlung: In diesem Stadium lässt sich die Funktion der nicht wiederherstellen. Klinische Therapien müssen früher ansetzen. Vor diesem Hintergrund wird klar: Derzeit fehlen einfache und zuverlässige nicht-invasive Diagnosetests, um möglichst früh erkennen zu können, wann sich NASH entwickelt, wann sich kritische Verschlechterungen anbahnen und welche Patienten die höchsten Risiken dafür tragen. Damit und durch neue therapeutische Ansätze ließe sich viel Leid verhindern. Es ist ein wichtiges Ziel des LiSyM-Netzwerks, die Lücken bei Diagnose, Monitoring, Risikobewertung und Therapie zu schließen.
NASH kann zu Krebs führen: Kennzeichen und Folgen
Bis zu 20% der Personen mit NAFLD entwickeln eine NASH. Fachleute können den Beginn des Prozesses an bestimmten Besonderheiten in den Hepatozyten und ihrer zellulären Umgebung erkennen. Später finden bei einem Teil der Patienten in der Leber strukturelle Umbildungen statt, die bis zum hepatozellulären Karzinom führen können.
NASH zeigt sich durch Entzündung und Ballonierung
Gegenüber NAFL ist ihre Prognose deutlich schlechter: Bei einem von fünf Patienten mit NASH schreitet die Erkrankung bis zur Zirrhose voran. Derzeit fehlen einfache diagnostische Tests, die anzeigen, wann NAFL in eine NASH übergeht. Keine der verfügbaren nicht-invasiven Untersuchungen kann die beiden Formen sicher unterscheiden. Zweifelsfrei möglich ist das nur durch Mikroskopieren von Gewebeproben aus Biopsien oder mit bildgebenden Verfahren. Die Verfahren können diese NASH-Kennzeichen auf zellulärer sichtbar machen:
● Ballooning oder Ballonierung von Hepatozyten
Hier lagern bereits verfettete Hepatozyten weiteres Fett ein. Sie schwellen durch große Lipidkörper auf 1,5- bis 2-fache Größe an. „Die Lipidkörper zerquetschen alles in den Leberzellen“, sagt LiSyM Nachwuchsgruppenleiter Dr. Nachiket Vartak. Die Fetteinlagerungen verdrängen und verformen das Zytoplasma, wo die meisten zellulären Reaktionen ablaufen. In ballonierten Leberzellen sind darum oft kleine, verkümmerte Zytoplasmaeinschlüsse sichtbar, die Mallory-Denk-Bodies. Ballonierung bedeutet eine funktionelle Schädigung der Hepatozyten. Der Prozess kann zum Absterben von Leberzellen führen (Nekrose).
● Entzündung
Die Verfettung und Ballonierung strapaziert die Hepatozyten. Eine Aktivierung von hepatischen Immunzellen, hauptsächlich von Makrophagen, findet statt. Als Folge infiltrieren Entzündungszellen, vorwiegend so genannte Monozyten, in die Leberläppchen. Die Entzündungszellen umgeben oft ballonierte Hepatozyten.
NASH kann zu Fibrose, Zirrhose und Leberkrebs führen
NASH ist darüber hinaus charakterisiert durch den Prozess der Fibrose, der in eine Zirrhose münden kann. Im Anfangsstadium der NASH muss noch keine bedeutende Fibrose an der Leber vorhanden sein.
● Fibrose, krankhafte Zunahme von Bindegewebe
Fibrose bezeichnet ganz allgemein den Vorgang, wenn sich Bindegewebe pathologisch vermehrt und Kollagenfasern stark in ihrer Häufigkeit zunehmen. Außer der Leber können viele andere Organe betroffen sein, zum Beispiel Lunge, Nieren, Haut oder Knochenmark. Im Fall von NASH aktivieren die Leberschäden offenbar spezielle Bindegewebszellen, die Fibroblasten. Sie vermehren sich unkontrolliert, so dass mehr und mehr interstitielles Bindegewebe die Leber durchzieht. Diese Bindegewebs-Partien bilden Barrieren zwischen einzelnen Bereichen der Leber und schnüren Leberzellen zudem von den Blutgefäßen und Nerven ab, die sie versorgen und steuern. Die Funktion der Leber wird zunehmend gestört. Es gibt unterschiedliche Bewertungssysteme für Stadien der Leberfibrose. Häufig findet sich eine Unterteilung in fünf Stadien von F 0 bis F4. Hier stehen F0 und F1 für keine oder nur milde Fibrose, F2 für ausgeprägte Fibrose, F3 für fortgeschrittene Fibrose und F4 für NASH-Zirrhose.
● Zirrhose
Wenn sich ein Organ meist infolge von chronischen Entzündungen und anhaltender Fibrose verhärtet und narbig schrumpft, sprechen Fachleute von einer Zirrhose. Dabei geht funktionelles Gewebe unter. Im Endstadium einer Leberzirrhose verliert das Organ entsprechend alle seine Funktionen.
● Hepatozelluläres Karzinom
Patienten mit NASH tragen ein erhöhtes Risiko für das Hepatozelluläre Karzinom (HCC). Die Höhe des Risikos, diesen Tumor zu entwickeln, variiert stark in Abhängigkeit vom Beobachtungszeitraum und der Patientengruppe. Einen Einfluss haben beispielsweise das Fibrosestadium zu Beginn der Studie, Begleiterkrankungen und die genetische Disposition. Die EASL gibt entsprechend an, dass von hundert NASH-Patienten mit fortgeschrittener Fibrose oder Zirrhose innerhalb von ungefähr fünf Jahren 0,25 bis 7,6 an einem HCC erkranken.
Ernährung, Lebensstil und Veranlagung sind Risikofaktoren
Die Ursachen der metabolischen Lebererkrankung NAFLD und ihrer Unterform NASH finden sich in der Ernährung und im übrigen Lebensstil. Eine hohe Aufnahme von Kalorien, Fetten – speziell von ungesättigten Fettsäuren, von raffinierten Kohlehydraten, gesüßten Getränken und Fruktose – fördert NAFLD. Diese Grundlage bezeichnen Fachleute als „westliche Diät“ („western diet“ oder auch „western pattern diet“), weil sie in den Industrienationen weit verbreitet ist. Hier konsumieren viele Menschen zu hohe Mengen an rotem Fleisch, an „leeren“ Kalorien, industriell verarbeiteten Speisen, stark gesüßten Getränken, Süßigkeiten, Frittiertem, Butter und Eiern. Gleichzeitig nehmen sie zu geringe Mengen an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Fisch und Geflügel, Hülsenfrüchten und fettarmen Milchprodukten zu sich.
Auch Bewegungsmangel trägt dazu bei, dass sich Übergewicht, Bluthochdruck und Störungen im Zucker- und Fettstoffwechsel entwickeln. In den Industrienationen bewegen sich nur wenige Menschen regelmäßig in ausreichender Intensität.
Nicht zuletzt haben Forscher ein paar Genvarianten identifiziert, die den Fettgehalt der Leber, die Empfänglichkeit für NAFLD und ihr Fortscheiten beeinflussen. Wie hoch ihr Beitrag ist, lässt sich momentan nur zum Teil grob abschätzen.
Zu den wichtigsten bekannten Risikofaktoren für NAFLD/NASH gehören:
● Alter
● Westliche Diät
● Fettleibigkeit
● Diabetes mellitus Typ-2 beziehungsweise Insulinresistenz
● Geschlecht: Männer haben häufiger NAFLD/NASH als Frauen, die dafür allerdings ein höheres Risiko für fortgeschrittenen Fibrose tragen.
● Genetische Veranlagung, wie z.B. bestimmte Varianten im PNPLA3-Gen (Abk. für Patatin-like phospholipase domain-containing 3)
Bei mehr als zwei von drei Patienten mit NAFLD findet sich eine Kombination mehrerer Stoffwechselstörungen, das so genannte Metabolische Syndrom (s. unten). Auch Erkrankungen wie obstruktive Schlafapnoe und die ethnische Herkunft können einen Einfluss auf das Risiko haben.
Metabolisches Syndrom und NAFLD hängen zusammen
NAFLD geht in erster Linie auf Störungen im Stoffwechsel zurück. Studien haben gezeigt, dass die nicht-alkoholische Fettleber mit dem Metabolischen Syndrom assoziiert ist, das mehrere Stoffwechselstörungen umfasst. Alle basieren ebenfalls auf der „westlichen Diät“. Die International Diabetes Foundation (IDF) definiert das Metabolische Syndrom als Kombination folgender Symptome:
● bauchbetontes Übergewicht mit einem Bauchumfang ≥ 94 cm bei Männern und ≥ 80 cm bei Frauen
● erhöhter arterieller Blutdruck von ≥ 130/85 mmHg oder laufende Therapie wegen Hypertonie
● erhöhter Nüchternblutzucker von 100 mg/dl (5,6 mmol/L) oder laufende Therapie wegen Diabetes mellitus Typ-2
● erhöhte Triglyzeridkonzentration im Serum von mehr als 150 mg/dl (1,7 mmol/L)
● einen HDL-Cholesterin Wert von weniger als 40 mg/dl (1,0 mmol/L) bei Männern und von weniger als 50 mg/dl (1,3 mmol/L) bei Frauen.
Außer dem Risiko für NAFLD erhöht jeder einzelne dieser Werte auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. In der Kombination summieren sich die Risiken nicht nur, sondern sie verstärken sich gegenseitig.
Weiterführende Literatur:
EASL–EASD–EASO Clinical Practice Guidelines for the management
of non-alcoholic fatty liver disease. Journal of Hepatology 2016 Vol. 64: 1388–1402