Der Signalweg steuert, wie viele Lipide adulte Hepatozyten einlagern
Molekularbiologin Dr. Madlen Matz-Soja, Junior Group Leader im LiSyM-Netzwerk vom Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie der Universität Leipzig konnte zeigen: Der Hedgehog-Signalweg hat großen Einfluss darauf, ob Leberzellen verfetten. Das geschieht etwa bei nicht-alkoholischer Fettleber, einer häufigen Erkrankung. Nun will die Wissenschaftlerin aufklären, welche weitere Bedeutung der Signalweg für die ausgewachsene Leber besitzt. Möglicherweise hat Hedgehog auch Anteil an Geschlechtsunterschieden, die bei Erkrankungen wie Leberzirrhose und Leberkrebs auftreten. Langfristig hofft Matz-Soja, Therapien zu verbessern, die an Hedgehog ansetzen.
Hedgehog-Signalweg (Hh) – über ihn reagieren Zellen auf äußere Signale. Er läuft von der Zellmembran über mehrere Stationen bis in den Zellkern. Hh steuert besonders die embryonale Zellentwicklung.
Smoothened (smo) – Protein und intrazelluläres Molekül in der Hh-Signalkette.
Gli-Faktoren – drei Transkriptionsfaktoren, deren Mengen und Mengenverhältnis zueinander sich durch Hh-Signale verändern. Entsprechend ändert sich unter anderem die Aktivität der Zielgene, die von Gli1, Gli2 und Gli3 reguliert werden.
Gli-Code – Signatur des Mengenverhältnisses der Gli-Faktoren untereinander
Hepatozyten – die Leberepithelzellen machen rund 80 Prozent des Lebervolumens aus. Sie übernehmen die meisten Stoffwechselaufgaben des Organs.
„Es war überraschend, dass der Hedgehog-Signalweg überhaupt in ausgewachsenen Hepatozyten aktiv ist“, sagt Matz-Soja. Der morphogenetische Signalweg steuert bei Säugern, wie sich ihre Embryonalzellen differenzieren, also spezialisieren, um unterschiedliche Organe und Gewebe ausbilden zu können. In den meisten adulten, ausgewachsenen Zellen ist Hh nur schwach aktiv oder gar nicht, erzählt Matz-Soja: „Bis vor wenigen Jahren hieß es, dass Hedgehog auch in adulten Hepatozyten physiologisch unbedeutend ist.“
Doch sie fand schon während ihrer Doktorarbeit bei Professor Dr. Rolf Gebhardt an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, dass Hh in ausgewachsenen Hepatozyten einiges bewirkt. So reifte die Idee, den Signalweg stillzulegen: Matz-Soja züchtete transgene Mäuse, in deren Hepatozyten sie ein Molekül der Hh-Signalkette ausschalten kann – das Protein Smoothened: Adulte Mäuse, bei denen Hh inaktiviert ist, entwickeln eine Fettleber. Im Fall von menschlichen Patienten würden Ärzte von einer nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD) sprechen. Daran erkranken besonders in Industrienationen viele Menschen. Einem Teil von ihnen drohen Leberschäden – auch weil wenig zur Entstehung der NAFLD bekannt ist.
Nicht-alkoholische Fettleber, NAFLD
Von einer NAFLD sprechen Fachleute, wenn mehr als fünf Prozent der Hepatozyten Fett eingelagert haben und Alkohol dafür keine Rolle spielt. Laut Schätzungen liegt die Häufigkeit in Europa bei 20 bis 30 Prozent. Als wichtigste Ursachen gelten eine ungünstige genetische Veranlagung und ein Lebensstil mit ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel. Gewichtsreduktion kann NAFLD in frühen Stadien beheben. Sonst schreitet sie langsam voran. Bei bis zu 20% der Betroffenen geht die nicht entzündliche Form (einfache oder blande Fettleber) in eine entzündliche (nichtalkoholische Steatohepatitis, NASH für nonalcoholic steatohepatitis) über. Teils ist die Funktion der Hepatozyten hier schon gestört. 10-20% der Betroffenen entwickeln eine höhergradige Fibrose, einige eine ausgeprägte Zirrhose.
Ein Netzwerk im Fettstoffwechsel ändert seine Aktivität
„Die Verfettung der ausgewachsenen Leber hat direkt mit Hedgehog zu tun“, betont Matz-Soja. Wenn sie den Signalweg abschaltet, sinkt die Menge von Gli1 und Gli3. Das sind zwei Transkriptionsfaktoren am Ende der Hh-Signalkette. Weil ihre Menge abnimmt, verändern sich Aktivitäten in einem ganzen Netzwerk an Proteinen, die am Fettstoffwechsel beteiligt sind. Das wies Matz-Soja mit DNA-Chips, mit inhibitorischen RNAs und anderen molekularbiologischen Methoden nach.
Als nächstes griff sie direkt in den Gli-Code ein, in das Mengenverhältnis der Gli-Transkriptionsfaktoren zueinander. Die Forscherin stellte Hepatozyten her, die übermäßig viel Gli1, Gli2 oder Gli3 produzieren. Das ist, vereinfacht gesagt, das Gegenteil von dem, was passiert, wenn Hh ausfällt. Tatsächlich lagern Hepatozyten mit Gli-Überschuss, egal ob aus Mäusen oder Menschen, im Vergleich zu normalen Leberzellen viel weniger Fett ein. „Die grundlegenden Ergebnisse entsprechen sich“, fasst Matz-Soja zusammen und folgert: „Für einen gesunden Fettstoffwechsel muss der Gli-Code ausbalanciert sein.“
Ein Ausfall oder sehr geringe Aktivität im Hh-Signalweg fördert die Verfettung von adulten Hepatozyten. Ihren Fettstoffwechsel beeinflussen Veränderungen im Mengenverhältnis der Gli-Transkriptionsfaktoren erheblich.
Zusammen mit verschiedenen Mitgliedern des LiSyM-Netzwerks arbeitet Matz-Soja an einem Computermodell. Das Team stellt mit neuronalen Netzwerken und Deep Learning den kompletten Hh-Signalweg von adulten Hepytozyten aus Mäusen samt allen bekannten Komponenten nach. „Wir liefern dafür Ergebnisse aus unseren in vitro und in vivo Experimenten“, erklärt Matz-Soja die Aufgabe ihrer sechsköpfigen Arbeitsgruppe. Mit dem Modell hoffte sie, den Signalweg vollständig zu verstehen und mehr zur Entstehung von NAFLD zu erfahren.
Geschlechtshormone in Leberzellen geraten aus dem Gleichgewicht
Ebenso könnte das Modell erhellen, wie Hh in Abhängigkeit vom Geschlecht funktioniert. Ist der Signalweg über Smoothened abgeschaltet, produzieren die Hepatozyten von ausgewachsenen Mäusen – im Gegensatz zu sonst – Testosteron. Die Geschlechtshormone geraten aus dem Gleichgewicht, so Matz-Soja „Das könnte bei Krankheiten, die geschlechtsspezifisch reguliert sind, eine Rolle spielen.“ Männer erkranken beispielsweise dreimal häufiger an Leberkrebs und sterben dreifach öfter daran als Frauen. Ähnlich tritt Leberzirrhose bei Männern häufiger auf. „Diese Unterschiede sind nicht allein durch den Lebensstil zu erklären“, sagt die 38-Jährige. Es muss weitere, unbekannte Faktoren geben – möglicherweise im Hh-Signalweg? Der lässt sich pharmakologisch beeinflussen, erzählt sie: „Patienten mit bestimmten Krebserkrankungen erhalten zum Teil Hedgehog-Inhibitoren.“ Die Mittel wirken gegen die Tumore, aber eben auch in der Leber: Viele Patienten brechen ihre Therapie wegen starker Nebenwirkungen ab. Vielleicht ist es möglich, die Selektivität von Hh-Inhibitoren zu verbessern?
„Es wäre ein großer Wunsch, dass meine Forschungsergebnisse einmal in Therapien einfließen“, sagt Matz-Soja, die zunächst Ökotrophologie an der Anhalt Universität für Angewandte Wissenschaften in Bernburg studiert hat. Danach wechselte sie nach Leipzig ans Biochemische Institut, das zur Medizinischen Fakultät der Universität gehört. Dort hat sie promoviert und leitet heute ihre LiSyM Junior Gruppe. „Mich treibt auch an, zu zeigen, was man in der Wissenschaft alles machen kann“, sagt Madlen Matz-Soja: „Es wäre schön, wenn meine Ergebnisse andere Wissenschaftler dazu anregen, einfach einmal etwas Neues auszuprobieren.“